Sonntag, 30. Juni 2013

Leseprobe "Kokosnussküsse"


1. Kapitel
 
Singleurlaub? Sehe ich so aus, als suche ich ein Abenteuer?”, fragte ich mit der Süße einer überreifen Frucht und zwang mich zu einem Lächeln, das sogar Julia Roberts Konkurrenz gemacht hätte. Frau Stieglitz. Eine mondäne Erscheinung im eleganten Stiftrock und Stilettos in einer mörderischen Höhe. Unter uns gesagt, Ballerinas mögen uncool sein, aber ich konnte problemlos dem Bus nachjagen.
Gerade machte sie nicht den Eindruck, als hätte sie es überhaupt nötig, irgendetwas oder irgendjemandem nachzulaufen. Sie galt als Expertin für die Beratung einsamer Singles, als Guru der Suchenden – die ihre Seelenverwandten in der Ferne finden wollten. Sogar in den Lokalnachrichten berichteten eifrige Reporter über die ehemalige Chef-Animateurin einer Kreuzfahrtgesellschaft, die in ihre alte Heimat zurückgekehrt war und nun bei "Hannis Traumreisen" arbeitete. Für unseren kleinen Ort nahe der Lüneburger Heide war das geradezu eine Sensation. Was für eine Abwechslung von Hochzeiten, sonntäglichen Prügeleien und nervenaufreibenden Nachbarschaftsstreitigkeiten. 
Eine Frau, die wohl wusste, was Männer wollten – und was nicht. In der Art und Weise, wie sie meine heiß geliebten Jeans und die flammendrote Bluse betrachtete, war sie sich ihrer Erfahrung einmal mehr bewusst.
„Ich komme direkt von der Arbeit.“ Mensch, warum verteidigst du dich! „Können Sie mir etwas empfehlen, ohne dass ich mich dabei wie auf dem Präsentierteller fühle? Ohne Singlerabatt, gerne mit Einbettzimmerschlag, weil ich urlaubsreif bin.“
Die klare Ansage stärkte meinen schweißgebadeten Rücken. Warum fühlte ich mich dieser Frau so unterlegen? Wegen der billigen Kopie einer Pradatasche? Ging deshalb mehr hinein? Denkste.
„Unsere Klienten...“
Ich hörte weg, sah mich wie ein Truthahn zu Thanksgiving. Kaum wurde die Platte aufgetragen, verstummten alle und starrten auf den armen, zu Tode gemästeten Truthahn.
„Frau Schuster, äh, Christina – das darf ich doch sagen, Ihre Mutter und ich, wir kennen uns ja schon seit der Sandkistenzeit. Sie waren so ein süßes ... Äh, Urlaub”, schwenkte sie schnell um, als sie meine Miene bemerkte. Ich wollte nicht in den alten Kindheitserinnerungen meiner Mutter schwelgen. Ihre ständige Anwesenheit in meinem Leben war nur ein weiterer Grund, Bothel und seinen Bewohnern den Rücken zu kehren.
„Sie sagten doch, Sie würden allein verreisen. Wir haben für Alleinreisende besondere Angebote. Singlebonus und spezielle Veranstaltungen ...”, Frau Stieglitz senkte ihre Stimme etwas zu sehr, um nicht aufzufallen, „... um Männer kennen zu lernen.”
Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. So eine Landpomeranze war ich nun auch wieder nicht, um hier in der Umgebung keinen Mann abzubekommen.
„Eigentlich hatte ich an eine ganz simple Reise gedacht. Urlaub, nicht Sex-and-Fly!”
„Sie waren wohl schon länger nicht mehr fort, oder?”
Ich stöhnte leise. Warum musste ich ausgerechnet an die geraten? An eine Lebensberatung hatte ich eigentlich nicht gedacht, als ich das Reisebüro betrat. Außerdem hatte ich auch nicht vor, darüber nachzudenken, ob es sinnvoll gewesen war, meinen Job als Dekorateurin beim Blumenwilli zu kündigen. Obwohl – Blumenwillis Grabschereien hatten mir den Entschluss leicht gemacht. Jedenfalls fühlte ich mich zum ersten Mal seit Jahren frei und wollte mir die Sonne auf den Bauch brennen lassen.
Frau Stieglitz sah mich mitleidig an, drehte sich dann fort, schlug eine weitere Seite des Kataloges auf und tippte auf ein großformatiges Clubangebot auf Ibiza. „Der Trend setzt seit einiger Zeit voll auf die Singles. Hart arbeitende Menschen, die solo in den Urlaub fahren und mal den Alltag hinter sich lassen wollen. Etwas erleben eben.” Sie wartete, bis ich zögernd nickte.
Dann sprach sie im Tonfall der geübten Animateurin weiter: „Die meisten der Damen und Herren wollen dann eben auch Tanz, Spaß und das gewisse Abenteuer. All inklusive versteht sich.”
Ich nickte ergeben. „Liebeskummer all inklusive?”
Sie räusperte sich, dann lächelte sie. „Natürlich gibt es keine Garantien. Ich habe mich in den Kapitän verliebt, Piratenjoe hieß er. Ein Muskelpaket, braune Haut und ein Seemannsgarn hatte er drauf. Leider hat er nicht nur mich eingesponnen. War verheiratet, ein Sohn, aber ich glaube, die Frau ist vor einigen Jahren gestorben. Ich habe ihn nie wieder gesehen, aber ...” Sie seufzte.
Ich fragte mich, wie oft sie "eben" in einem Satz unterbringen könnte.
„Schon klar, aber ich will einfach nur Urlaub machen. Ohne Liebe, egal ob auf den ersten oder zweiten Blick. Ich bin seit einiger Zeit solo und gedenke es auch zu bleiben.” Warum erzählte ich das alles ausgerechnet Frau Stieglitz? Wenn es Hanni gewesen wäre, mit der ich in eine Klasse gegangen war, oder Frau Löwig am Empfangscounter, die im Kirchenchor neben meiner Mutter stand. Aber Frau Stieglitz?
„Oh, verstehe. Dann habe ich Ihre Wünsche eben tatsächlich missverstanden”, sagte sie und stand auf. „Wie wäre es mit einer Kreuzfahrt?”
Ich bekam wohl einen sehnsüchtigen Blick: ich und Leonardo am Bug der Titanic, er schwört mir ewige Liebe und ich ...
„Durchschnittsalter glatte 50! Da brauchen Sie keine Angst haben, belästigt zu werden.” Sie lächelte mich scheinheilig an.
Sah ich so aus? Na okay, ich war fast Dreißig, hatte eine durchschnittliche Figur, aber intelligent und kreativ. Zugegeben, manche Männer schlug das in die Flucht, aber die anderen hatten wenigstens was zu fühlen, wenn sie mich in den Arm nahmen! Spindeldürr wie diese den Laufsteg entlang klappernden Models war ich jedenfalls nicht. Wollte ich auch nie sein, weil mich bei deren Anblick immer gleich der Hunger überkommt und ich mir ein Gummibärchen nach dem anderen reinschiebe, nicht nur damals, auch heute noch.
„Sagen Sie mal, wollen Sie mir überhaupt eine Reise verkaufen?” Vielleicht hatte meine Mutter ihre Hände im Spiel? Sie wusste, wie leicht ich unsicher wurde und Frau Stieglitz näherte sich mit ihren Angeboten gefährlich der Vielleicht-lieber-doch-nicht-Zone.
Ich war Single, na und? Ich war weder ausgehungert noch jeglicher Anbahnung zwischengeschlechtlichen Kontakts abgeneigt und hatte sicher nicht vor, mich zwischen Opas und Uropas an Deck zu rekeln. Begafft von gierigen Altmänneraugen, während mich die dazugehörigen Damen beim Dinner mit ihren Blicken durchbohrten.
Frau Stieglitz Augen leuchteten dafür plötzlich auf. In mir erwachte die Hoffnung, dass sie endlich das Richtige für mich gefunden hätte. Aber sie erhob sich mit einem extrabreiten Lächeln und begrüßte über meinen Kopf hinweg einen neuen Kunden.
„Herr Sandmann, ich habe Sie schon vermisst! Erst gestern habe ich zu mir gesagt: Herr Sandmann wird doch nicht untreu geworden sein!” Sie kicherte viel zu laut.
Ich grinste, als ich den Namen des Mannes hinter mir hörte. Sandmann, wie peinlich. Doch als ich mich umdrehte, war ich mehr als überrascht. Was hatte ein so gut aussehender Mann hier zu suchen? In diesem Provinzreisebüro? London, Paris, Los Angeles, aber hier?
Offenbar war ihm nicht entgangen, dass sein Erscheinen mehr als freudig begrüßt wurde und als könnte er meine Gedanken lesen, wandte er sich ausgesprochen freundlich an Frau Stieglitz: „Immer die große Welt ist auf die Dauer langweilig. Hier gefällt`s mir, es ist so ruhig und nett und genau das Richtige zum Erholen.”
Pff, Angeber! Was faselte er von Langeweile? Ich jedenfalls träumte davon, aus dieser ruhigen und netten Gegend wegzukommen.
„Hier, am besten, Sie nehmen sich ein paar Kataloge mit nach Hause und suchen sich in Ruhe was aus!” Mit diesen Worten zog Frau Stieglitz energisch weitere bunte Kataloge aus den Klappfächern und knallte mir den Stoß auf den Tisch. Jawohl, knallte. Vielleicht sollte ich mich darüber beschweren, überlegte ich.
Und während ich überlegte hörte ich ein wenig bei dem Gespräch mit. Genau genommen war es ein Flirt, bei dem die Post abging.
„Frau Stieglitz, wenn Sie hier nicht so unentbehrlich wären – ich würde Sie liebend gern mitnehmen. Sie wären das Model für meine Fotos!”, sagte dieser Herr Sandmann.
Frau Stieglitz lachte schon wieder so albern. „Sie sind eben unmöglich, Herr Sandmann. Sie wissen doch genau, dass ich sofort den Koffer packen würde. Mit Ihnen würde ich sogar nach Alaska fahren.”
Ich verdrehte die Augen. So ähnlich war es wohl mit Piratenjoe gelaufen. Es war ja bekannt, dass Uniformen und die blitzenden Streifen auf den Schultern die Attraktivität des jeweiligen Mannes steigerten. Ich sah Frau Stieglitz in den Armen von Piratenjoe. Er würde ihr etwas über die Sterne sagen, dass ihre Augen so funkeln, dass sogar der Polarstern verblassen musste. Wie konnte man einer derart billigen Flirterei nur Glauben schenken?  Auch wenn der Mann, aus dessen Mund diese Sprüche kamen, wirklich atemberaubend gut aussah. Das blonde Haar leuchtete, als die Sonne durch die Scheibe fiel, und sein Lachen war leise, sympathisch. Ich zwang meinen Blick wieder auf die Kataloge, bevor ich es mir anders überlegte. Er machte mich nervös.
„Das Eis würde schmelzen, Frau Stieglitz!”, sagte Herr Sandmann lächelnd.
Was für ein Schleimbolzen. Glücklicherweise klingelte gerade mein Handy, obwohl ich mich kurz bei dem Gedanken ertappte, dass ich liebend gern weiter zugehört hätte.
„Hallo! Ja, du, Lisa, ich bin im Reisebüro. – Nein, ich habe bisher nichts Passendes gefunden. Offenbar bin ich schwer vermittelbar. Ja, genau, wie beim Arbeitsamt. Danke, du baust mich doch immer wieder auf!”
Ich beendete das Gespräch und stopfte das Handy in die Tasche zurück. Hatte man Lisa, brauchte man keine Feinde mehr. Sie bot alles: Lob, Kritik, Action und Fun, aber manchmal musste man dafür auch ihre Lebensweisheiten ertragen, wie jetzt gerade.
Ihr rannten einfach zu viele Männer nach, die sie dann so schnell ablegte wie andere Frauen ihre Mäntel. Und trotzdem, ich liebte sie heiß und innig. Sie wusste alles von mir, oder doch wenigstens fast alles. Ein paar kleine Geheimnisse hatte ich in letzter Zeit selbst vor ihr, doch die würde eine Klassefrau wie Lisa ohnehin nicht verstehen. Ich sehnte mich nach Geborgenheit, Zärtlichkeit: eine Beziehung ohne Grund und Boden, und doch so real, wie es nur ging. Aber nach dem letzten, so misslungenen Versuch fragte ich mich, ob es falsch war, Gefühle auszusprechen. Darum saß ich ja auch in "Hannis Traumreisen". Um aus dem Alltag auszubrechen, mir in diesen sieben Tagen über mein weiteres Leben Gedanken zu machen und möglichst erholt und braun gebrannt zurückzukommen. Quasi, als neue Christina, und die würde dann durchstarten, was immer die Beraterin im Arbeitsamt dachte.
Gerade jetzt saß die alte Christina – ich - allerdings erst einmal leicht verbittert mit einer Tasse Kaffee vor einem Stoß Reisekataloge. Lachende Gesichter strahlten mir entgegen, Sonne und Meer, in gelb und rot, blau wie das Meer. Türkis, korrigierte ich mich.
Ein Katalog leuchtete viel versprechend inmitten der Hochglanzbildchen. Malediven. Ich war wohl wirklich urlaubsreif, denn ich glaubte, das Rauschen der Palmen und der Brandung zu hören.
Gerade wollte ich das Heft herausziehen, als der ganze Stoß ins Rutschen geriet und sich die Hälfte der Kataloge auf dem Boden verteilte.
Frau Stieglitz war sichtlich verärgert über diese Störung und schob mir eine Plastiktüte über den Tresen. Dafür ging Herr Sandmann neben mir in die Hocke und griff nach zwei Katalogen. „Malediven? Tauchen Sie?”, fragte er mich.
Mann, sah der gut aus! Ich gab Leonardo einen Schubs, dass er über die Reling der Titanic flog, um Herrn Sandmann Platz zu verschaffen. Normalerweise fing ich nicht so schnell Feuer -, aber der Mann beflügelte meine Fantasie wie niemand zuvor.
„Tauchen Sie?”, wiederholte er lächelnd seine Frage. Ich wollte, ich wär‘ ein Fisch und Herr Sandmann der Hai.
„Die Malediven sind ein Paradies für Taucher und Fotografen, und glauben Sie mir, ich habe schon viel gesehen!”
Ich sah in diese Augen, gegen die das Blau der Kataloge verblasste, ein richtiges Grönland-Blau, und ich schmolz dahin. In diesem Augenblick hätte ich ihm alles geglaubt.
„Ja, Herr Sandmann ist Fotograf, einer der besten in Deutschland”, beeilte sich Frau Stieglitz zu berichten.
„Fotografie hat mich schon immer interessiert”, sagte ich und ignorierte den giftigen Blick von Frau Stieglitz. „Was fotografieren Sie?”
„Am liebsten schöne Frauen wie Sie auf den Malediven!” Herr Sandmann richtete seine imaginäre Kamera auf mich.
Geschmeichelt wandte ich mich ab. „Ich kann nicht tauchen. Leider, so sehr ich es mir wünsche, mal einen Rochen zu fotografieren.”
Frau Stieglitz fand Herrn Sandmanns Interesse an mir wohl ärgerlich, jedenfalls deutete sie auf meine Kataloge. „Sie sollten es sich eben in Ruhe zu Hause überlegen. Die Dame ist Single, verstehen Sie, aber nicht interessiert!” Damit schob sie Herrn Sandmann sanft, aber bestimmt von mir weg und bat ihn, Platz zu nehmen.
Ich räusperte mich. „Wie ich schon sagte, bin ich nicht an Sex-Tourismus auf Tobago interessiert, Frau Stieglitz. Wären Sie so freundlich, mir einige Prospekte für Individualreisen zusammenzustellen?”, konterte ich. „Ich glaube nämlich nicht an die Liebe auf den ersten Blick, wie in diesen Heftchen."
Frau Stieglitz lief rot an, warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Buchungsunterlagen von Herrn Sandmann und wandte sich wieder der Regalwand zu.
Herr Sandmann lächelte amüsiert. „Muss es unbedingt Liebe sein? Darf man nicht einfach Spaß haben?”
Ein Schauer lief über meinen Rücken. „Ich weiß nicht. Früher, als Teenie, da habe ich an die Liebe geglaubt ...”
„Aber Sie sind erwachsen geworden und jetzt wirklich urlaubsreif”, stellte Herr Sandmann fest und wandte sich dann mit seinem sanften Lächeln wieder Frau Stieglitz zu, die mit ihrem Kugelschreiber auf die Tastatur klopfte. „Liebste Frau Stieglitz, was schenken Sie mir diesmal? Die Sterne von Mykonos, Muscheln von den Seychellen oder ...”
„Kokosnüsse auf Barbados!”, sagte Frau Stieglitz.
„Piraten vor Madeira!”, rutschte es mir heraus.
„Bingo! Das ist es! Meine Models in der Hand von grimmigen Piraten. Madeira – die Blumeninsel. Kompliment, eine klasse Idee!”, sagte Herr Sandmann und sah mich eindringlich an. „Sind Sie aus der Branche?”
„Madeira hat keine Piraten”, wandte Frau Stieglitz ein, doch sie fand kein Gehör.
„Und Ihr Piratenjoe – kletterte er allein auf dem Boot herum?”
Herr Sandmann wandte sich ruckartig an Frau Stieglitz. „Piratenjoe?”
Frau Stieglitz schüttelte den Kopf. „Nichts, Frau Schuster ist wohl wirklich urlaubsreif.”
Herr Sandmann runzelte nachdenklich die Stirn, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich; und ich griff in meine Fantasiekiste, über die sich Lisa immer lustig machte.
„Stellen Sie sich vor: Perlen und Gold in einer Kiste, die Models ziehen sich aus, behängen sich mit dem Schmuck – dann kommen die Piraten, knackig braun, muskulös, dass die Damenherzen schmelzen und entführen die Maiden auf ihr Piratenschiff. An Deck die Bademodenaufnahmen.” Ich genoss, wie Herr Sandmann an meinen Lippen hing.
„Und dann ... der Oberpirat Mc Ginty.” Oder Mc Sandmann, aber das konnte ich gerade rechtzeitig hinunterschlucken.
Ich sah ihn noch immer als Pirat vor mir und mich in einer weißen Bluse, einen langen weiten Rock, der von der Meeresbrise aufgebauscht wird ...
„Frau Schuster. Das ist ja sehr nett, aber ich habe die ganze Welt gesehen und Herr Sandmann vertraut meiner Erfahrung. Sicher findet sich etwas Passendes für ihn. Danke.”
„Waren Sie schon mal in Grönland, Frau Stieglitz?” Ich sah sie erwartungsvoll an.
„Äh, nein, bei den Eskimos ist es mir zu kalt. Aber Island könnte ich empfehlen. Die heißen Quellen dort, die Geysire, eben ein Traum sage ich Ihnen.”
„Eskimo! Das dürfen Sie nicht laut sagen. Inuit wollen sie eben genannt werden!”, sagte ich augenzwinkernd und betonte ihr Lieblingswort laut genug, damit es jeder hören konnte.
Herr Sandmann verstand und schmunzelte. „Nein, nein, ist schon in Ordnung. Piraten sind ohnehin sehr trendy dieses Jahr", seine Stimme hatte den Ton gewechselt, der Charmeur verwandelte sich binnen einer Sekunde in den interessierten Profi.
„In welcher Branche arbeiten Sie?”
„Derzeit bin ich young, free and single! Ich meine, ich war Dekorateurin, doch seit zwei Tagen bin ich sozusagen freiberuflich.”
„Blumenwilli – Willi meinte, Sie wären unpünktlich gewesen und Ihre Vorliebe für ausgefallene Dekorationen war unpassend”, warf Frau Stieglitz ein.
„Wollen Sie mitfliegen?  Ich meine, Sie kennen Madeira, oder? Da wären Sie eine große Hilfe. Wenn alles klappt, könnten wir in zwei, drei Wochen die Produktion starten. Sie interessieren sich doch für Fotografie!”
Ich starrte ihn ungläubig an. „Sie nehmen mich auf den Arm!”
„Gerne!”
„Ich wollte eigentlich auf die Malediven.”
Frau Stieglitz sah mich entgeistert an. „Sie wollten doch gar nicht wirklich weg. Herr Sandmann arbeitet dort. Sie wollten sich erholen.”
„Meine Assistentin ist heute Morgen abgesprungen. Sie wären die Rettung. Sie haben die Erfahrung, sind kreativ und ungebunden!” Herr Sandmann zögerte nicht lange. „Hier, meine Visitenkarte, Madeira oder Malediven, es ist mir egal, wenn Sie mitkommen und das umsetzen, was Sie mir gerade vorgeschwärmt haben. Ich erkenne ein funktionierendes Setting auf den ersten Blick.”
Wie im Traum stand ich auf, nahm meine Tüte mit den Katalogen und verließ das Reisebüro.
„Schöne Grüße an Anqelique”, rief mir Frau Stieglitz nach. Oh Gott, meine Mutter hatte ich vergessen. Wie lange würde es dauern, bis sich mein Erlebnis durch die örtliche Telefonkette bis zu ihr klingelte.
„Rufen Sie mich an!”, rief mir Herr Sandmann nach.
„Habe ich meinen Traumjob gefunden?”, murmelte ich und merkte nicht mal, dass es inzwischen zu regnen begonnen hatte.


 
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Seit ihrer Jugend ist das Schreiben ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Sie liebt das Reisen und Recherchieren vor Ort, um ihrer Geschichte und den Figuren möglichst nahe zu kommen. Neben ihrer Leidenschaft für historische Romane füllen vor allem Jugendromane und Fantasy ihren Kopf und auch ihre Bücherregale. Gibt es Schöneres als sich offenen Herzens einer fremden und entdeckungswerten Welt anzuvertrauen.
 
 
 
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